Das "Gasthaus Lorbeer" in Langendorf

Ein Familienbetrieb seit über einem Jahrhundert

von Uwe Freudenberg

Am 1. April 1999 (es war der Gründonnerstag) feierten die Wirtsleute des „Gasthauses Lorbeer", Frau Dora Lorbeer und Familie Klaus Peter gemeinsam mit sehr zahlreich erschienenen Gratulanten ein heuzutage sehr seltenes Fest. Das Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen ihres Familienbetriebes. Die mittlerweile 4. Generation bewirtschaftet nunmehr dieses traditionsreiche und beliebte Lokal.

Eine Aufnahme Anfang der 1920er Jahre. Das kleinere Gebäude links vom Hoftor beherbergte von 1921 bis 1973 im Erdgeschoss ein Fleischergeschäft im ersten Stock ist heute noch die Kegelbahn (natürlich einsatzbereit).

Gleich nebenan befand sich dereinst die Langendorfer „Venusschenke", selbige wurde anno 1696 erstmals er­wähnt, sie lag direkt an der Kreuzung der heutigen Weißenfelser und Karl-Marx-Straße. Diese wohl älteste Schenke des Dorfes gehörte zum Langendorfer Kammergut und wurde an die jeweiligen Wirte verpachtet. Valentin Triebel, seit 1756 als vierter Direktor des Langendorfer Waisenhauses tätig, pachtete das Kammergut und verkaufte anno 1758 die einträgliche „Venusschenke" in private Hand.

Die Schankwirtschaft war immerhin gelegen an einer sehr gut befahrenen Handelsstraße der Salzstraße, auf der die Kauf- und Fuhrleute von den Orten der Salzgewinnung über Weißenfels hier entlang kamen, um nach Thüringen, Hessen oder noch weiter zu gelangen. So hatte sich diese Wirtschaft im Laufe der Jahrzehnte zu einem Gasthof und Halteplatz zum Ausspannen der Pferde entwickelt.

Nur ein paar hundert Meter südlich von hier befand sich am Rande der Salzstraße dann die Untergreißlauer „Erbschenke", 1606 erstmals erwähnt, aber keine Raststätte in dem Sinne. Im Laufe des 19. Jahrhunderts (zweites Drittel in etwa) verlor jedoch die Salzstraße immer mehr an Bedeutung, neue Straßen in Richtung Thüringer Land (Eisenberg) und Bahnstrecken (wie diejenige von Weißenfels nach Zeitz) erleichterten Transporte und Reisen. Somit machten immer weniger Fuhrleute in Langendorf Rast.

Dies dürfte einer der Gründe für die Schließung der alten „Venusschenke" anno 1863 gewesen sein.
In den Gebäuden der einstigen Schankwirtschaft und Pferde-Ausspanne gründete im Jahre 1888 der einheimische Stellmachermeister Louis Wahren einen Stellmachereibetrieb. Hier befindet sich heute das Architekten- und Ingenieurbüro von Andreas Winkler- seine Gattin ist eine geborene Wahren. Selbiger Name ist laut Ortschronik der älteste Familienname der Dörfer des Greißlautales. Die Aufzeichnung beginnt anno 1616 mit Thomas Wahren.

100 Jahre nach Gründung der Stellmacherei (1988), übernimmt Andreas Wahren die Bauschlosserei der Familie in 3. Generation und wird am 20. August 1999 auf Grund der Anfertigung des „größten bisherigen Stuhles aus Metall" ins Guiness-Buch der Rekorde eingetragen. Selbiges für den üblichen Hausgebrauch zu große Möbelstück kann in Leißling gegenüber der Mineralbrunnen GmbH bestaunt werden. Doch zurück zur Schließung der altehrwürdigen „Venusschenke" anno 1863.

Im selben Jahr begann ein weiteres Mitglied der Familie Wahren, mit dem Vornamen Christian, im Nachbargrundstück (heute Weißenfelser Straße 3) mit dem Bau eines neuen Gasthauses, welches den Namen des Ortes erhält.

Das „Gasthaus Langendorf auf einer Ansichtskarte, die am 12. Juli 1927 nach Hof an der Saale gesandt wurde. Rechts unten das 1923 eingeweihte Kriegerdenkmal an der Straße nach Obergreißlau vor noch unbebautem Gelände.

Das Gasthaus mit Saal und Fleischerei der Familie Lorbeer

Am 1. April 1899, einem Sonnabend, wird das „Gasthaus Langendorf" von Eduard Lorbeer käuflich erworben. Bereits sechs Jahre später lässt er einen Tanzsaal anbauen. Keine zweihundert Meter Luftlinie entfernt davon befand sich bereits ein Tanzsaal, nämlich der von der im Jahre 1872 eingerichteten Gastwirtschaft „Zur guten Quelle" (ab 1906 im Besitz der Familie Böttger). Dieser Saal war 1873 entstanden, er brannte im Juni 1915 nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch der dritte Langendorfer Tanzsaal erwähnt. Im „Forsthaus Muttlau". Der Bau dieses Lokales begann im Jahre 1896. In den benachbarten Dörfern Ober- und Untergreißlau, sowie Kößlitz-Wiedebach (einst selbstständig, seit über fünfzig Jahren zur Gemeinde Langendorf zugehörig), gab es natürlich auch Möglichkeiten das Tanzbein zu schwingen - doch davon später. Gastwirt Eduard Lorbeer führte sein „Gasthaus Langendorf" auf den Tag genau zwanzig Jahre lang.

Am 1. April 1919, einem Dienstag, übergab er es seinem Sohn Karl. Selbiger, Fleischermeister von Beruf, schlachtete bereits seit Jahren im elterlichen Grundstück, wobei die Wurst- und Fleischwaren gleich aus dem Schlachthause heraus verkauft wurden.
Im Jahre 1921 richtete er im Nebengebäude einen Fleischerladen ein, der bis 1973 bestand. Bei dieser Baumaßnahme musste die bisher im Erdgeschoss gelegene Kegelbahn hoch in die 1. Etage dieses Gebäudes verlegt werden. Diese Bahn erfreute sich von Anfang an bei Jung und Alt über Jahrzehnte hinweg großer Beliebtheit, und sie existiert im traditions-reichem Lokale noch heute. Neben den Keglern fanden schon bald verschiedene Vereine bei Lorbeers ihr Stammlokal, vor allem die Sportler. Von den Fußballern sind in der heutigen Gaststube Mannschaftsfotos zu sehen, die an vergangene Zeiten erinnern. Der „Radfahrerverein" des Ortes (gegründet am 1. Dezember 1905) führte in den Wintermonaten seine Übungen zum Kunstrad fahren auf Lorbeers Saal durch. Ungezählte Vereinsfeiern gab es auf dem Saal und im Vereinszimmer.

Das „Sandsteinzimmer" errichtet um 1863/64 aus den Steinen des Langendorfer Steinbruches, der seit langem geschlossen ist, aber im Zweiten Weltkrieg bei Fliegeralarm als Luftschutzbunker diente.

Anfang der 1970er Jahre erfolgten Umbaumaßnahmen im gastronomischen Bereich. Dabei wurde unter anderem die Gaststube vergrößert und das über ihr befindliche Vereinszimmer ins Erdgeschoss verlegt. In diesem Raume wurde auch über etliche Jahre hinweg die Rente an die Senioren des Ortes in Bar ausgezahlt (heutzutage unvorstellbar). Familie Lorbeer hat viel für den Erhalt, die Verschönerung und Modernisierung ihres Objektes getan, egal ob in privater oder Konsum-Regie. Aus dem einstigen „Gasthaus Langendorf" war nach Jahrzehnten das „Gasthaus Lorbeer" geworden, dieser Name blieb auch zu Konsum-Zeiten bestehen.

Der Schwiegersohn des allseits beliebten und unvergessenen Lorbeer Willy (unter anderem Ehrenmitglied des 1. LCC), Herr Klaus Peter, wird im Jahre 1984 (und zwar wieder einmal einem 1. April, sozusagen zum 85. Jubiläum) stellvertretender Gaststättenleiter und übernimmt am 1. Januar 1988 den gastronomischen Betrieb. Ehefrau Ingrid (geb. Lorbeer) ist seit 1986 Chefin über die Küche.

Seit 1. Juli 1990 ist das Gasthaus wieder in privater Hand

Nach der Wende bestand die Möglichkeit, den alteingesessenen Familienbetrieb wieder privat zu übernehmen und sich von der Konsumgenossenschaft zu trennen, wie es vielerorts geschah. Diese Chance wurde natürlich genutzt. Auf den Tag genau nach 32 Jahren wurde am Sonntag, dem 1. Juli 1990, jenem unvergesslichem Tage der Währungsumstellung auf die D-Mark in der Noch-DDR das „Gasthaus Lorbeer" wieder in private Familien-Regie übernommen. 1992 feierten Willy und Dora Lorbeer das Fest der „Goldene Hochzeit". Im Laufe der Zeit war immer mal erwähnt worden, dass beide zu ihrer Hochzeit im Jahre 1942 von ihrer Stamm-Brauerei F. Oettler zu Weißenfels ein Fass Pils spendiert bekommen hatten. Wie groß war dann die Überraschung, als genau 50 Jahre später von dieser Brauerei, nunmehr als „Felsbräu GmbH" fungierend, für den alten und treuen Kunden Willy Lorbeer wieder ein Fass Pils als Geschenk gebracht wurde.

Nach der Reprivatisierung erfolgten Schritt für Schritt Sanierungs- und Erneuerungsarbeiten in allen Bereichen. Die Küche wurde auf den neuesten Stand gebracht, die gesamten Toilettenanlagen vollständig erneuert. Die alte Bar neben der Saalbühne wurde zu einem Schmuckstück hergeichtet, aus der einstigen „Bierschwemme" entstand eine attraktive Bierbar, die Gaststube wurde renoviert u.a.m. Im Schatten der hohen Kastanien im Garten sitzen die Gäste gemütlich in angenehm luftiger Höhe, und das nicht nur zu Himmelfahrt. Lorbeers Erbsen aus der Feldküche, die deftig, kräftige Hausmannskost, der „Lammbraten-Donnersag" u.v.m. tragen zur besonderen Atmosphäre dieses Lokales bei. In einer Büttenrede des Zeremonienmeisters vom 1. Langendorfer Carneval Clubs e.V. wurde das gastronomische Niveau des Hauses einmal mit folgendem Zweizeiler kurz und treffend zum Ausdruck gebracht:

Ja bei Lorbeers gibt es das Beste aus Küche und Keller,
und die Schnitzel sind größer als der Teller!

Und so kamen sie dann alle zum 100. Jubiläum 1999, die Fußballer von Grün-Weiß, die Alten Herren, die Freizeitkicker, Volleyballer und Kegler, Karnevalisten und die Freunde des Freizeitvereins „Die Burg e.V.", Geschäftspartner, Stammgäste, Gemeindevertreter, Bürgermeister Ziegler usw. usf.
Mittlerweile arbeitet Kerstin Peter als Vertreterin der 5. Generation im elterlichen Lokale. Sehr zum Vorteil für die Gäste, die per PKW hier anrollen, sind die gegenüber dem Lorber'schen Hause im Zuge der Dorferneuerung entstandenen öffentlichen Parkplätze - vorher war hier das Parken äußerst ungünstig. Nach der 100-Jahrfeier entstand in einem Raume, der beim Bau des Hauses vor knapp 140 Jahren wiederum als Pferdeanspanne gedacht war, ein neues Schmuckstück hiesiger Gastronomie: Ein gemütlicher Raum aus Sandsteinen, welche allesamt aus dem Langendorfer Steinbruch hinter dem Waisenhaus (nahe heutigem Schwimmbad) gewonnen und behauen wurden. Daher auch der Name „Sandsteinzimmer" (von den Gästen eher schmunzelnd als „Bernsteinzimmer" bezeichnet). Eingeweiht wurde es im September 2000 zum traditionellen Skatturnier der Vereinsfreunde von „Grün-Weiß" Langendorf - bis zu 80 Gäste finden hier Platz.

Soweit zur Gastronomie und Geschichte der in der Gemeinde ältesten der vorhandenen Gastwirtschaften. Im Jahre 2003 gibt es ein weiteres 100. Familienjubiläum, denn seit dem Jahre 1903 befindet sich die Obergreißlauer Bäckerei im Besitz der Familie Tille.